
Ein Standpunkt von Felix Feistel.
Nicht erst seit dem Coronatotalitarismus zeigt sich vor Allem im globalen Norden und im politischen Westen eine enorme Krise. Europa und Nordamerika, die Epizentren der Industrialisierung, des sogenannten Fortschritts und die Speerspitze der entwickelten Staaten, zeichnen sich seit Jahrhunderten durch Extreme, vor allem extreme Gewalt, Unterdrückung und globale Hegemonialansprüche aus. Doch seit etwa einem Jahrhundert scheinen die Extreme zuzunehmen. Zwei vernichtende Weltkriege, die systematische Verfolgung und Auslöschung von Minderheiten, Kriege, die überall auf der Welt um Ressourcen und Machtansprüche geführt werden, und die Menschheit immer wieder an den Rand der nuklearen Auslöschung treiben, all das findet in großer Konzentration im globalen Westen und von diesem ausgehend in den ehemaligen Kolonialgebieten statt.
Auch innerhalb der westlichen Gesellschaften erleben wir immer wieder geradezu wahnhafte Zeiten, die in Massenhysterie mit vielen Opfern ausarten, und sich meist entlang unsichtbarer Bedrohungen und imaginärer Feinde entwickeln. Schon die Ideologie des Nationalsozialismus, die in einen totalitären Terrorstaat mündete, war ein solcher Massenwahn. Mit einigen Abstrichen kann dasselbe über die kommunistischen Bewegungen überall auf der Welt, vor Allem aber in Osteuropa, gesagt werden. Letztlich war auch der Coronafaschismus nichts anderes als eine Massenhysterie, die eine ganze Gesellschaft in Bewegung versetzt und sie entlang bestimmter, politisch gewollter Linien ausgerichtet hat, wie ein Magnet Metallspäne ausrichtet. Massenhysterien und kollektiver Wahn werden von Herrschenden systematisch und gezielt als Herrschaftsmittel genutzt. Doch wie ist es zu erklären, dass die Menschheit immer wieder anfällig für diese ist?
Aufklärung als Ausgangspunkt
Hier im Westen, vor Allem in Europa, ist man stolz auf die Aufklärung. Die Aufforderung, sich seines eigenen Verstandes ohne Anleitung eines Anderen zu bedienen, die Kant formulierte, hat die Wissenschaft hervorgebracht, und unsere Kenntnis von der Welt auf eine ganz neue Ebene gehoben. Der Natur auf den Grund zu gehen, die Geschehnisse in der Welt zu verstehen, Naturgesetze zu formulieren, und das alles losgelöst von einer göttlichen Entität, die zuvor die Auslegung der Wahrnehmung diktiert hat, war eine große Errungenschaft, welche die Welt neu ordnete. Die Macht der Kirche nahm ab, die weltlichen Mächte traten hervor, und in diesem Zuge formten sich Staaten losgelöst von kirchlichen Weihen. Entdeckungen und Erfindungen wurden gemacht, neue Maschinen und Techniken bis hin zu den digitalen Geräten, die wir heute haben, hoben die Welt vollständig aus den Angeln und sortierten sie vollkommen neu.
Schon lange ist das Leben im Westen nicht mehr bestimmt von göttlichen Kräften. Auch das Wertesystem, das die Religion vorgibt, wurde vollkommen hinterfragt und ersetzt. An die Stelle einer Gottheit, einer metaphysischen Existenz, einer letzten Wahrheit und Quelle allen Seins, trat eine rein physische, eine materielle Welt, die bestimmt ist von Ursache und Wirkung. Es zählte keine metaphysische Realität mehr, sondern nur noch das Hier und Jetzt der fassbaren Wirklichkeit. Diese Vorstellung war von Martin Luther und dem Protestantismus schon vorbereitet worden, indem diese propagierten, Gott belohne die besonders Gläubigen bereits im Diesseits – und nicht, wie die Kirche es zuvor propagiert hatte erst im Jenseits. Diese Belohnung, und damit die göttliche Gunst, drückte sich dieser Vorstellung zufolge im materiellen Wohlstand aus.
Doch erst die Aufklärung, die eine göttliche Existenz, eine höhere Sphäre vollständig in Frage stellte, und letztlich als beherrschende Vorstellung auch entthronte, löste die Verknüpfung von materiellem Wohlstand mit göttlicher Gunst, und löste diesen Wohlstand dann auch von jeder spirituellen Bedeutung und ethischen Verpflichtung. Der reine Materialismus wurde zum beherrschenden Dogma der aufgeklärten Welt. Denn eine Gesellschaft, die kein Jenseits, kein Leben nach dem Tod mehr kannte, strebte nun danach, das Diesseits mit materiellem Wohlstand zu füllen. Das Leben, so kurz es ist, muss genutzt werden um so viele Freuden, so viel Reichtum wie möglich anzuhäufen. So wurde die Gier nach und nach zu einem Ideal erhoben, und zu ihr gesellte sich der Hedonismus, die Reduktion des Lebens auf den reinen, diesseitigen Genuss.
Dieser Materialismus hat nur ein Problem: Er negiert jede Verbindung zu einem höheren Ganzen, jede Einbettung in einen größeren Kontext, und entleert damit jedes menschliche Tun jedes tieferen Sinnes. Der Materialismus selbst wird zum Sinn. Vermögen anhäufen ist nicht länger eine Belohnung Gottes für Wohlgefallen, und da man sich keinen Platz im Paradies mehr erarbeiten muss, ist es auch überflüssig, seinen Wohlstand zu Gunsten der Allgemeinheit einzusetzen. Allenfalls wenn eine solche Investition weitere Profite verspricht, findet sie statt. Das Eigentum an sich ist zum Selbstzweck geworden, und seine Erlangung das oberste Ziel. Dies wirft die Menschheit in den dunklen Abgrund einer Sinnkrise.
Denn der Mensch braucht das Gefühl von einem höheren Sinn, einer Einbettung in einen größeren Kontext. Daher hat er Religionen und Mythologien ersonnen, um dem irdischen Dasein eine Bedeutung zuzuschreiben. Ob dieses Streben nach Sinn seinerseits pathologisch sein könnte, da der Mensch sich selbst dabei immer nur im Bezug auf ein Äußeres misst und betrachtet, und nicht aus inhärentem Antrieb heraus agiert, sei an dieser Stelle einmal dahingestellt. Fakt ist, dass die Menschheit seit Jahrtausenden große Erzählungen benötigt, um überhaupt in Gesellschaften leben zu können, ohne dabei zu verzweifeln. Denn seit Jahrtausenden werden menschliche Gesellschaften überall auf der Welt von Religionen und Mythologien bestimmt, die diesen Sinn vermitteln. Doch Gott ist, wie Nietzsche es so prägnant festhielt, tot, und wir haben ihn getötet. Für Nietzsche führt dieser Weg zwangsweise in den Nihilismus, den er entgegen der landläufigen Meinung, nicht herbeisehnte, sondern vor dem er warnte. Und dieser Nihilismus ist es, den wir heute sehen.
Eine Aufklärung, die der Menschheit den tieferen, metaphysischen Sinn austreibt, hinterlässt eine Leerstelle, die gefüllt wird mit einer irgendwie gearteten „Wissenschaft.“ Was zunächst klingt, als habe die Vernunft gegen den Aberglauben obsiegt, entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als eine Religion in einem Gewand der Vernunft, einer Ideologie von Scheinvernunft. Denn die Wissenschaft ersetzte nur Gott als Deutungsrahmen, produziert aber im Ergebnis dieselben Verhältnisse. Sie dient als obere Instanz, deren Hohepriester in den Laboren und Arztkitteln zu neuen Predigern werden, die einen anerkannten Kanon von vermeintlichen Erkenntnissen predigen, und jede andere Möglichkeit ausschließen. Begründet wird all das durch „die Wissenschaft“ oder „die Vernunft“, einer gottgleichen Instanz, die befiehlt und anordnet. Die Wissenschaft wurde nun anstelle von Gott zu einer ordnenden, die Gesellschaft formenden Kraft, während die „Wissenschaftler“ zu ihren neuen Priestern wurde, und von vielen Wissenschaftlern und Denkern wurde das auch genau so wahrgenommen und propagiert.
Mit der Wissenschaft ging die Entwicklung der Technik einher, sie wurde geradezu ein Ausdruck des Fortschrittes der Wissenschaft, und so wurden Technik und Wissenschaft mehr und mehr zu Synonymen. Auch die Technik sollte die Gesellschaft bestimmen und formen. So erklärte Auguste Comte bereits 1844 in seiner „Rede über den Geist des Positivismus“, dass die Technik in naher Zukunft „auch und in erster Linie politisch und moralisch“ sein solle. Wissenschaft und Technik wurden also zu treibenden Kräften der Gesellschaft und der Moral erklärt. Daher rührt auch eine Ideologie des ewigen Fortschrittes, also einer beständigen Entwicklung von Technologien, Theorien und vermeintlichen Erkenntnissen, die aber auf kein höheres Ziel mehr gerichtet sind. Dieser Fortschritt findet um seiner Selbst willen statt, und ist daher im Grunde genommen ein Treten auf der Stelle. Er bringt der Menschheit auch keinen Mehrwert mehr, sondern produziert nur am laufenden Band neue Konsumgüter und Technologien, die letztendlich dem Menschen zum Nachteil gereichen – man denke nur an die Waffentechnologien, die digitalen Technologien, die Pharmaindustrie und die mit diesen Industrien einhergehende Zerstörung der natürlichen Lebensumwelt.
Ein solches reduktionistisches Weltbild, wie „Vernunft“ und „Wissenschaft“ es produzieren, führt zu einer tiefen Sinnkrise, weil die Komplexität der Welt dramatisch reduziert wird, und zudem Wissenschaft und Technik zum einzigen Ziel und Zweck jedes Handelns erklärt werden. Da dieser reine Materialismus und mit ihm einhergehend der reine Konsum zum Selbstzweck keine tiefere Erfüllung bringen, bilden sich fanatische Ersatzkulte in Form von Ideologien. Ideologien sind beschränkte Vorstellungswelten, die anstelle eines Gottes eine zumindest vermeintlich wissenschaftliche Theorie setzen. Sie geben vor, die Welt mit wissenschaftlichen Maßstäben zu erfassen und zu messen, reduzieren sie aber in Wirklichkeit nur auf eine verengte Sichtweise durch die Brille einer bestimmten Theorie oder Sichtweise. Sie bilden den Interpretationsrahmen der Wirklichkeit, der die Deutung realer Ereignisse bestimmt, und führen so notwendigerweise zu Verzerrungen bis hin zu vollkommener Fiktion, genau so, wie die Brille der Religion zu früheren Zeiten. Bekannte Ideologien sind der Nationalsozialismus, der die Welt durch die Brille der menschlichen „Rassen“ und dem vorgeblich natürlichen Niedergang der einen, und Aufstieg der anderen Rasse betrachtete. Auch der Sozialismus, der die Welt als Inbegriff von Klassenkampf, und die Geschichte als einen vorgezeichneten Verlauf interpretiert, ist eine solche, verengende Ideologie. Weiterhin handelt es sich bei Kapitalismus und Neoliberalismus um Ideologien, welche die Welt als einen Markt betrachten, der möglichst frei von staatlichen Eingriffen sein solle, um einem möglichst hemmungslosen Profitstreben nicht im Weg zu stehen. Nichts drückt den Ersatz für eine göttliche Figur so sehr aus wie die „unsichtbare Hand des Marktes“, welche den Lauf der Welt lenken und bestimmen soll.
Ob nun die Gewalt der Natur, der Geist der Geschichte oder die unsichtbare Hand des Marktes, allen Ideologien ist gemein, dass sie vermeintliche Wissenschaft für sich in Anspruch nehmen und ihre Ideologen und Staaten, Konzernen oder Thinktanks sich als Überbringer der „göttlichen“ Botschaft und deren Vollstrecker aufspielen. Ideologien pflügen ganze Gesellschaften um, richten sie vollständig nach ihren Bedürfnissen und Ansprüchen aus. Dabei geben ihre Priester und Vollstrecker in der Regel vor, zum Besten aller Menschen zu handeln. Ähnlich wie die Inquisition zum Wohle des Betroffenen auch foltern und töten konnte, bedeutet dieses „Beste“ oder „Wohl“ aber eben auch, dass bestimmte Gruppen von Menschen ausgeschlossen, ausgesondert oder gar getötet werden. Die Juden, der Klassenfeind, die faulen Arbeitslosen, jede Ideologie produziert Verlierer, die dem Tod überlassen, oder deren Tötung im Extremfall sogar aktiv betrieben wird. Ähnlich erlebten es die sogenannten Ungeimpften, nur in abgeschwächtem Maße, aber auch die sogenannten Klimasünder werden, wenn auch noch nicht aus der Gesellschaft ausgesondert, so zumindest zum Feindbild aufgebaut.
Solche Ideologien sind nichts Anderes als Religionen ohne Gott. Sie vermitteln aber den von ihnen eingenommenen Menschen wieder das Gefühl von Sinn und einem höheren Zweck. Sie stiften Gemeinschaft, ein Gefühl von Zusammengehörigkeit, und die Verfolgung eines Ziels, das immer in der fernen Zukunft liegt, dessen Erreichung aber zur obersten Priorität erklärt wird. Die Verfolgung dieses Zieles erfolgt dann wieder in Form reinen Materialismus, indem beispielsweise Wirtschaftsdaten zur wichtigen Indikatoren verklärt werden. So werden die Erhöhung von Produktionszahlen oder des BIP, die Durchimpfung einer Bevölkerung oder der Aufbau von Windkraftanlagen frenetisch zelebriert, die Erfolge in Form von angeblich gestiegenen Zahlen in regelmäßigen Abständen verkündet, und damit suggeriert, auf dem Weg zum irdischen Paradies habe man sich wieder voranbewegt, obwohl die Gesellschaften im Großen und Ganzen auf der Stelle stehen.
Denn das irdische Paradies ist, da das jenseitige Paradies im Rahmen der Aufklärung fortgefallen ist, die einzige noch hoffnungsvolle Vorstellung in einer an sich jeder Hoffnung beraubten Welt. Da es kein Versprechen auf ein postmortales Paradies gibt, muss das Paradies für alle eben im Diesseits geschaffen werden. Was die Wohlhabenden in weniger ideologischen – aber nie ideologiefreien – Zeiten für sich bewerkstelligen, das versuchen die Ideologen großer gesellschaftlicher Entwürfe – nennen wir sie Totalitaristen – für alle Menschen gleichermaßen. Und sie ordnen jeden Einzelnen diesem Zweck unter, zwingen den Menschen ihre Ziele und Mittel auf, auch gegen deren Willen. Daher muss jeder Totalitarismus auch bis in das Privatleben jedes Menschen vordringen. Es gibt nämlich immer eine Reihe von Menschen, die diese Ideologie nicht wollen. Sie müssen daher vollständig beherrscht und umerzogen, und ihnen muss die Ideologie aufgezwungen werden. Daher ist es nahezu ein Wunder, dass eine allgemeine „Impf“pflicht in Deutschland während des Coronawahns letztlich scheiterte.
Auch die Kliamwandelideologie, die Gott durch eine Abart von „Natur“ als einer strafenden Gottheit ersetzt hat, dringt in das Privatleben aller vor. Die Interpreten des göttlichen Willens schreiben uns vor, wie wir zu heizen, welches Auto wir zu fahren, was wir zu essen und wie wir zu wohnen haben. Der Kapitalismus, insbesondere in seinem besonders extremistischen Kult des Neoliberalismus, hat das Privatleben eines jeden Menschen tief infiltriert, und das ganze Leben der Menschen anhand kommerzieller Erwägungen ausgerichtet. Die „Great Reset“-Ideologie, von der die Pseudopandemie ein Teil war, erfordert gar die vollständigste Kontrolle aller Menschen mithilfe der Digitalisierung, der digitalen ID, des digitalen Zentralbankengeldes und einer flächendeckenden Überwachung.
Die Menschen schließen sich diesen Ideologien – Klimawandel, Corona, Krieg gegen Russland, LGBTQ – an und werden zu deren folgsamen Untertanen und willigen Vollstreckern, weil das Leben im rein materialistischen Konsum - also der reine Hedonismus – keine tiefere Befriedigung, kein Gefühl von Sinn mehr vermittelt. Wie schon Hannah Arendt in Bezug auf den Totalitarismus geschrieben hat, wollen die Menschen, die gelangweilt sind vom Konsumhumbug und aller in der Gesellschaft zu erlangenden Karrieren, diese Gesellschaft zerschlagen. Nur auf die nächste Netflixserie zu warten, oder eine Arbeit auszuführen, die selbst der Ausführende als sinnlos erlebt, Shoppen und konsumieren haben keinen langfristigen Mehrwert.
Schon David Graeber schrieb in seinem Werk über „Bullshit jobs“(1), dass viele Menschen ihre Arbeit als sinnbefreit erleben, weil sie es ganz objektiv betrachtet auch ist. Mattias Desmet, Psychologe an der Universität Gent in Belgien fügte einige Jahre später hinzu, dass ein großer Teil der Menschen keinen tieferen Sinn in seinem Leben finden kann, keine bedeutenden Kontakte, und damit kein Gemeinschaftsgefühl hat, und zudem eine große Menge freischwebender Angst und Aggression in der Gesellschaft zu finden seien. All dies macht anfällig für Ideologien, die diese Zustände aufzuheben versprechen und ein Gefühl von Sinn und Zweck in das Leben bringen. Daher die Begeisterung angesichts der Corona-, Klima-, oder LGBTQ-Ideologien.
Konservative Ideologie
Diese Ideologien werden nun von Gegnern gerne als „Sozialismus“ bezeichnet. Das ist - unabhängig davon wie man zum Sozialismus steht - bereits begrifflich falsch. Denn während der Sozialismus auf die Verstaatlichung der Privatwirtschaft abzielt, fand und findet heutzutage das genaue Gegenteil statt, nämlich die Privatisierung des Staates (2). Als vermeintlichen Gegenentwurf wenden sich viele dieser Gegner des Great Reset dann verstärkt dem Kapitalismus zu, der ja, so die Ideologie, gar nicht verwirklicht wäre - ein Argument, das dieselben Menschen bei überzeugten Kommunisten überhaupt nicht gelten lassen. So predigen sie die Freiheit des Marktes, der jedoch letztlich nur die unbegrenzte Machterweiterung der Monopolisten darstellt.
Dies geht oft Hand in Hand mit einer Ideologie, die man als Konservatismus beschreiben könnte. Da den Vertretern dieser Ideologie die Auswüchse von Diversität, die hunderte Geschlechter etablieren, und gleichzeitig alle Geschlechter abschaffen will, die sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität zu bestimmenden Merkmalen der Gesellschaft machen, und fundamentale Grundsätze der Biologie leugnen, sowie Grundlagen der Gesellschaft abreißen will, zu weit gehen, und ebenso die Klimaideologie mit ihren Eingriffen ins Privatleben ablehnen, vielleicht dem vorbereiteten Krieg gegen Russland kritisch gegenüberstehen, besinnen sich viele dieser Menschen zurück auf etwas, das sie als traditionelle Werte verstehen. (3)
Hier findet sich oft ein Familienbild aus den 50er Jahren, der feel-good Kapitalismus der Wohlstand suggeriert, und eine Pseudoreligiosität, welche an das seit Jahrhunderten von der Kirche pervertierte Christentum mit seinen engen Moralvorstellungen und Lebensentwürfen anknüpft. Als wäre das spießige Familienbild aus einem anderen Jahrhundert ein für alle erstrebenswerter Entwurf, und vollkommen frei von Problemen, wird hier ein Ideal einer längst vergangenen Zeit etabliert, das schon damals kein Ideal war. Dieser Konservatismus ist mit eigenen Moralvorstellungen verbunden, wie Menschen zu leben und zu sein haben. Demnach sind alle Menschen, die keine Christen sind, Ausgeburten des Teufels. Religionen, die andere Gottheiten anbeten oder sich ohne Gottheit in den Kontext der Natur einordnen, sind in diesem Weltbild abzulehnen, und bringen potenziell das Böse. Notorisch wird überall Satanismus und Kultismus gewittert, die im Gegensatz zu dem Ideal des neu entdeckten Christentums stehen. Die an sich nicht verwerflichen Lebensentwürfe - sofern jeder sie für sich und freiwillig lebt - werden jedoch ideologisiert, indem sie gegen jene gewendet werden, die anders leben. Diese als Ausgeburt des Bösen zu betrachten, ist dabei nur die harmloseste Folge. Es führt schnell zu einem Zwang, die konservativen Wertvorstellungen zu teilen, und die Gesellschaft nach ihnen zu organisieren. Was hier scheint wie eine Abkehr von der strengen Rationalität der Aufklärung und eine Hinwendung hin zu einer voraufklärerischen Idee, ist daher in Wirklichkeit nur eine weitere Spielart aufklärerischer Ideologien.
Die Sinnkrise des Materialismus wird lediglich in eine Flucht in die Vergangenheit aufzulösen versucht, und überdies noch von dieser neuen Ideologie erwartet, die Gesellschaft umzuformen, indem die „Grünen“ oder die „Sozialisten“, die vermeintlich für alles Übel verantwortlich sind, entfernt, und durch eine vermeintlich heilsbringende Regierung ersetzt werden. Noch dazu werden alle Errungenschaften anderer Strömungen in Bausch und Bogen verdammt, und versucht, rückabzuwickeln. Das Verbot von Plastikstrohhalmen, das für die Umwelt erst einmal positiv ist, wird ebenso abgelehnt, wie die LGBT-Ideologie und ihre Folgen. Die Liberalisierung des individuellen Lebensstils - eine erst einmal positive Entwicklung, die es jedem ermöglicht, sein Leben nach den eigenen Vorstellungen zu gestalten - wird, da sie zu einer Ideologie geworden ist, abgelehnt. Wo beispielsweise bereits Heranwachsenden vermittelt wird, dass es nicht nur eine sexuelle Orientierung gibt, wird gleich „Frühsexualisierung“ gewittert, so als handele es sich bei solchen Themen um nur für volljährige Menschen vorbehaltene Dinge, wobei sich selbst Kinder von sich aus schon mit diesen Dingen beschäftigen.
Auf Regierungsebene wird dann mit Verboten reagiert, und einer Pflicht zum konservativen Lebensstil. Dies ist der Weg, den beispielsweise Russland derzeit in Abgrenzung zum Westen einschlägt. Prominente Stimmen des ideologischen Konservatismus sind beispielsweise Tucker Carlson oder Alex Jones, die zur Oppostion des Great-Reset Totalitarismus gehören, aber anstelle dieses lieber ihre konservative Ideologie installieren wollen. Prominente Stimmen eines Marktfundamentalismus gibt es ebenso, auch in Deutschland, gerade in der sogenannten Coronaopposition, und sie finden ihren politischen Arm in der AfD oder der vollkommen gescheiterten Werteunion. Diese Stimmen erhalten aufgrund der Ablehnung der herrschenden Ideologie an Zulauf, vertreten aber ebenfalls lediglich weitere Ideologien, die auf Dauer keine Sinnstiftung vermitteln können, und zudem zutiefst menschenfeindliche Folgen zeitigen würden. Dass es sich dabei um aufklärerische Ideologien handelt zeigt sich auch daran, dass nicht Gott – obwohl man sich zur Religion bekennt – zu einer sinnstiftenden und das Leben leitenden Instanz wird, sondern dieser nur zu einem schmückenden Beiwerk einer kapitalistischen Ideologie wird, und somit im Grunde das Gesellschaftsmodell der 50er Jahre verherrlicht.
Wir stecken also in einer tiefen Sinnkrise, die aus der Auslöschung jeder Spiritualität durch die Aufklärung hervorgegangen ist. Diese führt zu einem Verlust von Sinn und Bedeutung, und damit zu Ersatzreligionen wie Ideologien. Nun könnte man schlicht nach einem neuen Sinn suchen, oder sich auf sinnstiftende Erzählungen vergangener Zeiten zurückbesinnen, wie einige es versuchen. Letzteres funktioniert jedoch nicht, weil die gesellschaftlichen Gegebenheiten vergangener Zeiten, die diese Erzählungen – beispielsweise die Religionen – hervorgebracht haben, nicht mehr existieren. Zudem hat die Wissenschaft, trotz ihrer himmelschreienden Unkenntnis, die Welt zu sehr entmystifiziert, als dass man in ihr noch das Wirken eines Geistes oder einer Gottheit vermuten könnte. Die Wissenschaft hat die Brücke zurück zur Mythologie wohl für immer zerstört.
Statt aber das Leben mit neuen Ideologien anzufüllen, wäre es sinnvoll für einen Augenblick darüber nachzudenken, ob die Suche nach Sinn nicht schon an sich pathologisch ist. Es wäre durchaus möglich, dass einen Sinn außerhalb des eigenen Selbst zu suchen eine Folge von jahrtausendelanger Traumatisierung der Menschen darstellt. Die Genugtuung und Zufriedenheit, die der Einzelne dank Traumata in sich selbst nicht finden kann, versucht er, mit einer sinnstiftenden Erzählung im Außen zu erlangen, die ihm Halt und Anleitung gibt, ähnlich, wie er diese bei den Eltern – wahrscheinlichster Quell des Traumas – gesucht hat, aber nicht finden konnte. Das jedoch ist zum Scheitern verurteilt, da es das Wesen der Traumata ist, nicht im Nachhinein geheilt werden zu können. Lediglich eine Integration ist möglich, und damit ein bewusster Umgang mit diesem Trauma. Das bedeutet aber, dass Ideologien auf Dauer nicht dazu führen, dass sich die Zufriedenheit, das Sinngefühl einstellt – ein Grund dafür, warum alle großen Ideologien immer wieder scheitern. Auch vom Kapitalismus ist längst nicht mehr jeder überzeugt, nur hat dieser ein System geschaffen, das sich auf die Schnelle nicht verändern lässt.
Um die Krise der Aufklärung zu überwinden wäre es also ein denkbarer Schritt, sich mit den Traumata auseinanderzusetzen, die durch Jahrtausende der Fremdherrschaft und Gewalt durch Fürsten, Könige und Staaten angerichtet, und von Generation zu Generation von den Eltern an die Kinder weitergegeben wurden. Nur die Aufarbeitung dieser Traumata kann zu einem bewussteren Umgang mit der Sehnsucht nach Sinn, und mit den Überlebensstrategien, die Ideologien hervorbringen, führen. Dies kann dann Kriege, Ideologien und Totalitarismen für die Zukunft möglicherweise verhindern, und zu einem anderen Umgang miteinander führen. Machtstreben, Konsumwahn, Ungleichverteilung können auf diese Weise der Vergangenheit angehören, und das, ohne ideologische Weltverbesserungs- und Zwangsbeglückungsversuche. Letztlich kann jeder den Sinn des Lebens, die innere Zufriedenheit und Ausgeglichenheit nur in sich selbst finden, und nicht in fremden Erzählungen oder im äußeren Konsum. Doch dafür bedarf es eines bewussten Umgangs mit den eigenen Traumata, die dazu erst einmal ins Bewusstsein gelangen müssen.
Quellen und Anmerkungen
(1) https://www.nachdenkseiten.de/?p=46280
(2) https://tkp.at/2024/02/29/der-private-staat/
(3) https://www.manova.news/artikel/wahllos-konservativ
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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung des Beitrags.
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Bildquelle: fran_kie / shutterstock
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