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Israel-Iran-Krieg spaltet die USA

Israel-Iran-Krieg spaltet die USA

Wie viele Widersprüche kann ein Bündnis tragen?

Ein Meinungsbeitrag von Sabiene Jahn.

Als Donald Trump im Situation Room die Weichen für einen möglichen Krieg gegen den Iran stellte, droht den USA nicht nur ein außenpolitischer Showdown – sondern ein ideologischer Bürgerkrieg. Von progressiven Israelkritikern wie Alexandria Ocasio-Cortez bis zu rechten Isolationisten wie Marjorie Taylor Greene formiert sich eine unerwartete Allianz gegen einen neuen „ewigen Krieg“. Doch während Thierry Meyssan von einer skandalösen Vertuschung spricht und ein Ex-CIA-Analyst vor einem False-Flag-Angriff warnt, steht die Nation vor einer Frage: Kann ein gespaltenes Amerika die Widersprüche seiner Außenpolitik überleben? 

Historischer Riss

Als Donald Trump am vergangenen Dienstag im Situation Room des Weißen Hauses die Frage aufwarf, ob die Vereinigten Staaten unmittelbar militärisch in den Krieg zwischen Israel und Iran eingreifen sollen, war es nicht nur ein außenpolitischer Moment der Wahrheit. Es war ein innenpolitischer Wendepunkt für die Vereinigten Staaten – ein Moment, in dem sich die Bruchlinien des amerikanischen Selbstbildes offenbarten. Es explodierte innerhalb der Vereinigten Staaten ein folgenreicher Kampf: Der Krieg gegen Iran wurde zum Katalysator eines ideologischen Bürgerkriegs. Trump veröffentlichte am Dienstag nach seiner Beratung auf seiner Plattform Truth Social eine Botschaft, die an die Rhetorik des Zweiten Weltkriegs erinnerte: „Unbedingte Kapitulation!“ Ein Rückzieher? Undenkbar. Doch hinter dieser martialischen Pose begann sich ein innenpolitisches Szenario zu entrollen, das weit über Fragen militärischer Taktik hinausging.

Es offenbarte einen historischen Riss und die Erosion jener stillschweigenden Einigkeit, mit der die USA bislang Israel unterstützten. In einem seltenen Schulterschluss stellten die Abgeordneten Thomas Massie (Republikaner, Kentucky) und Ro Khanna (Demokraten, Kalifornien) am Dienstag einen Gesetzentwurf vor, der Präsident Trump untersagen soll, ohne Zustimmung des Kongresses militärisch gegen Iran vorzugehen. Massie erklärte auf X: „Das ist nicht unser Krieg.“ Rashida Tlaib erinnerte an das Desaster von 2003: „Wir wurden über Massenvernichtungswaffen belogen – das darf nie wieder geschehen.“ Auch Alexandria Ocasio-Cortez und andere Mitglieder der linken Squad unterstützten den Vorstoß. Marjorie Taylor Greene, eine der lautesten Trump-Verteidigerinnen im Kongress, hielt sich auffallend zurück: „Ich bete für Frieden. Frieden. Das ist meine offizielle Position.“

Zerreißprobe MAGA 

Vizepräsident J.D. Vance, einst ein Verfechter anti-interventionistischer Positionen, steht im Kreuzfeuer. Seine ausweichende Formulierung – „Der Präsident hat sich Vertrauen verdient. Er wird das amerikanische Militär nur für amerikanische Ziele einsetzen“ – wurde von Ro Khanna scharf kritisiert: „Viele Worte, keine Position. Wirst du mit uns gegen einen Krieg ohne Kongressmandat stimmen?“ Vance schweigt – ein Schweigen, das die Zerreißprobe in Trumps Bewegung verdeutlicht. Andere Republikaner, wie Marco Rubio, versuchen, Distanz zu Israels Angriffen zu wahren („Das waren nicht wir!“), während der Druck auf Trump wächst. Sollte er sich für eine Intervention entscheiden, riskiert er nicht nur eine Eskalation im Nahen Osten, sondern auch die Spaltung seiner Basis – oder deren Neudefinition. MAGA steht vor der Entscheidung zwischen nationaler Zurückhaltung und globalem Eingreifen, zwischen Tucker Carlson und den „Beltway-Neocons“. Carlson gilt als einer der einflussreichsten Stimmen der neuen Rechten und positionierte sich per Textnachricht klar gegen den Krieg – ein Signal, das in der MAGA-Basis Wellen schlägt. 

Die politische Szenerie hatte sich damit grundlegend verschoben. Was gestern noch als unvereinbar galt – progressive Israelkritikerinnen wie Alexandria Ocasio-Cortez und rechte Isolationisten wie Marjorie Taylor Greene – fand nun in der Ablehnung eines neuen „ewigen Kriegs“ im Nahen Osten eine fragile, aber reale Allianz. Der neue Konsens: Keine neuen Interventionen, keine weiteren Billionen, keine amerikanischen Söhne für geopolitische Stellvertreterkriege. David Hogg, einst Aktivist gegen Waffengewalt und mittlerweile mediengewandter Vertreter der Gen-Z-Linken, brachte es auf den Punkt:

„Jeder Demokrat, der diesen Krieg unterstützt, muss abgewählt werden. Unsere Generation ist durch zwei Multi-Billionen-Kriege gegangen – wir machen das nicht nochmal mit.“ 

Fragile Allianz 

Dabei ist es nicht allein die Kriegsmüdigkeit, die diesen Widerstand antreibt. Es ist auch die ideologische Müdigkeit gegenüber einem Diskurs, der seit Jahrzehnten nur eine Erzählung zuließ: Israel als moralisch unantastbare Demokratie im Nahen Osten. Diese Hegemonie wankt – und mit ihr die Deutungshoheit der transatlantischen Außenpolitik. Warum? Der israelische Krieg gegen Iran trifft nicht nur militärisch ins Zentrum der Islamischen Republik, sondern ideologisch mitten ins Herz des westlichen Liberalismus. Das zeigte sich zuletzt im publizistischen Paukenschlag des amerikanischen Autors Darryl Cooper, dessen Essay „The Psychopathology of Zionism“ vor wenigen Tagen erschien und für viele eine analytische Klammer für die aktuelle Spaltung darstellt. Cooper beschreibt in seiner Analyse eine „paranoide Grundstruktur“ des modernen Zionismus – eine ideologische Identitätsbildung, die nicht durch Werte, sondern durch Bedrohung motiviert ist. Ausgangspunkt ist der Widerspruch, dass viele liberal gesinnte Zionisten Israel gleichzeitig als moderne Demokratie und als Schutzraum für das jüdische Volk verteidigen wollen – ohne anzuerkennen, dass diese beiden Prinzipien in der Realität unvereinbar geworden sind. 

Kognitive Dissonanz 

Cooper verweist unter anderem auf die israelischen Gesetze, die eine Eheschließung zwischen Juden und Nichtjuden bis heute nur im Ausland ermöglichen. Er erinnert an die Praxis, bis 2005 ethnische Zugehörigkeit auf israelischen Ausweisen zu vermerken – ein Relikt aus kolonialer und segregationistischer Bürokratie. Zudem verweist er auf das 2018 verabschiedete Nationalstaatsgesetz, das ausdrücklich den jüdischen Charakter Israels festschreibt und das Selbstbestimmungsrecht exklusiv Juden zusichert – ein Schritt, den u. a. die israelische Menschenrechtsorganisation B’Tselem als „Apartheid-gesetzlich verankert“ kritisierte. Parteien oder Politiker, die einen binationalen Staat oder gleiche Rechte für alle Bürger fordern, sind in Israel nicht nur marginalisiert – sie werden gesetzlich von der Regierungsbildung ausgeschlossen (§7a des Grundgesetzes: Parteiengesetz). Diese Realität steht im fundamentalen Widerspruch zum Selbstverständnis vieler liberaler Zionisten – besonders in den USA –, die Israel gleichzeitig als westliche Demokratie, moralisches Bollwerk und Heimstatt für das jüdische Volk sehen wollen. Cooper nennt das eine „kognitive Dissonanz mit geopolitischer Wirkung“. Um sie zu erhalten, werde jede Kritik an Israel sofort moralisch delegitimiert – als antisemitisch, illoyal oder gar terroristennah. Kritik werde nicht beantwortet, sondern pathologisiert. 

Militärisches Dilemma 

In der Psychologie nennt man diese Struktur Warfare Personality: eine Identitätsbildung, die sich ausschließlich über Feindbilder stabilisiert. Wer sich einmal als ewig bedroht definiert, für den wird jede Forderung nach Gleichheit zur Bedrohung – und jede internationale Zurückhaltung zum Verrat. Coopers Analyse hat Sprengkraft. Denn sie erklärt, warum ausgerechnet in diesem Moment die anti-interventionistische Welle in den USA nicht nur von Linken, sondern auch von MAGA-Republikanern getragen wird. Der Widerstand gegen den Krieg ist nicht nur pazifistisch, sondern zunehmend ideologiekritisch. Er richtet sich gegen das moralische Ausnahmeprivileg Israels im außenpolitischen Diskurs – ein Privileg, das nun von links wie rechts gleichermaßen infrage gestellt wird. 

Militärisch steht Israel vor einem Dilemma, wie Analyst Jay Solomon betont: Der unterirdische Atomkomplex Fordow, Herzstück von Irans Atomprogramm, bleibt unbeschädigt. Seine Zerstörung erfordert B-2-Bomber oder 30.000-Pfund-Bunkerbrecher – und damit amerikanische Unterstützung. Doch diese ist hoch umstritten, selbst in Trumps Umfeld. Physiker David Albright, ehemaliger IAEA-Inspektor, diskutiert die Dringlichkeit: Israel behauptet, Teheran verfüge über genug hochangereichertes Uran für neun oder mehr Atombomben. Doch ist die Bedrohung so akut, dass sie eine Eskalation rechtfertigt? Ein „mittelalterlicher Kampf“ mit massiven Kollateralschäden wäre die Folge, warnt Solomon. Die fundamentale Frage bleibt: Darf, muss, soll die USA Raketen abfangen, die auf die 700.000 amerikanischen Staatsbürger in Israel zielen? Oder ist jedes Eingreifen bereits ein Kriegsgrund? Diese Gretchenfrage spaltet nicht nur Politiker, sondern die gesamte Öffentlichkeit. 

Geopolitische Illusion

Der Schachgroßmeister und russische Dissident Garry Kasparov liefert in seinem Essay eine zugespitzte Perspektive. Er nennt den Krieg das Ende einer geopolitischen Illusion: Der „Status quo“ im Nahen Osten sei nie Stabilität gewesen, sondern ein Hoffen auf Stillstand, während autoritäre Regime wie Iran aufrüsteten. Israel habe mit dem Schlag gegen Iran die Realität benannt, die andere verweigerten. Kasparov geißelt das Mantra westlicher Diplomaten, es gebe „keine militärische Lösung“, als moralische Feigheit. Er verweist auf Irans Unterstützung für Hamas, Hisbollah, Huthi-Milizen und Russland. „Wer keine militärische Lösung akzeptiert, hat bereits kapituliert“, so Kasparov. Er vergleicht die Zurückhaltung des Westens mit der Appeasement-Politik gegenüber Russland, Nordkorea und China. Seine Kritik richtet sich besonders an Vertreter der Obama-Ära wie Ben Rhodes, deren diplomatischer Pazifismus die Welt nicht sicherer, sondern fragiler gemacht habe. Der israelische Schlag sei ein notwendiger Weckruf – keine Eskalation, sondern eine Korrektur.

Demokratische Zerrissenheit 

In diesem Kontext wird auch das Schweigen vieler Demokraten verständlich – oder bezeichnend. Hakeem Jeffries, Fraktionsführer der Demokraten im Repräsentantenhaus, erklärte lediglich: „Israels Existenzrecht ist unantastbar, unsere Bindung an Israel ist eisern.“ Doch weiter wollte er nicht gehen. Ein Parteistratege erklärte anonym: „Viele Abgeordnete haben Angst vor ihren eigenen Mitarbeitern. Die sind jung, links und sagen: ‚Jeder, den ich kenne, hasst Israel.‘“ Diese Schere zwischen Basis und Führung wird zur Zerreißprobe. Torres beklagt die wachsende parteiübergreifende Israelkritik: „Früher war die Unterstützung für Israel bipartisan. Heute ist der Widerstand gegen Israel bipartisan.“ Die wachsende Skepsis gegenüber Israel, besonders in der jungen, linken Wählerschaft, trägt antisemitische Untertöne, wie jüdische Stimmen warnen. Gleichzeitig wächst in jüdischen Kreisen selbst der Wunsch nach Aufrichtigkeit – nicht aus Selbsthass, sondern aus dem Bedürfnis, Widersprüche anzusprechen. Senator Tim Kaine sieht in jedem US-Schritt Richtung Unterstützung ein „rutschiges Gleis Richtung Katastrophe“. Kenneth Baer, ehemaliger Obama-Berater, nennt die Dichotomie zwischen Krieg und Nichtstun „Lunacy“:

„Die Vorstellung, unsere einzige Wahl sei zwischen Irakkrieg oder gar nichts, ist analytisch völlig verzerrt.“ 

Wachsende Skepsis 

Ritchie Torres hingegen findet klare Worte: „Frieden im Nahen Osten hat keinen größeren Freund als Israel und keinen größeren Feind als das Regime in Teheran.“ Doch seine Stimme wird zunehmend übertönt – von jungen Stimmen, die Israel nicht als demokratische Bastion, sondern als militarisierte Ethnokratie wahrnehmen. Allesamt Stimmen, die in jüdischen Kreisen wachsen – nicht aus Selbsthass, sondern aus dem Wunsch nach Aufrichtigkeit. Thomas L. Friedman, der renommierte Kolumnist der New York Times, verstärkte diese Kritik in einem Artikel, zitiert in Die Weltwoche (Schweiz). Er warnte, dass die Politik der israelischen Regierung unter Benjamin Netanjahu nicht nur Israels internationales Ansehen gefährde, sondern auch Antisemitismus weltweit schüre. „Diese israelische Regierung ist eine Gefahr für Juden überall“, schrieb Friedman, gestützt auf offene Briefe ehemaliger israelischer Luftwaffenoffiziere, die die Kriegsführung in Gaza als „Tötungsmaschine“ bezeichneten. Seine Worte spiegeln auch eine wachsende Besorgnis in liberalen Kreisen wider, dass Israels Aktionen die globale Sicherheit von Juden untergraben könnten. Und so entsteht im Schatten dieses Krieges eine neue politische Konstellation: Ein transideologischer Widerstand gegen eine Außenpolitik, die sich seit Jahrzehnten auf Automatismen verlässt. 

False-Flag-Gefahr 

Eine der alarmierendsten Stimmen in der Debatte ist die des ehemaligen CIA-Analysten Ray McGovern, der in einem X-Post vom 18. Juni 2025 vor einem möglichen israelischen False-Flag-Angriff auf den US-Flugzeugträger USS Nimitz warnte. McGovern, der sich auf seine Erfahrung als hochrangiger CIA-Mitarbeiter beruft, schrieb: „Kapitän der USS Nimitz, rechnen Sie mit einem Angriff – NICHT durch den Iran, sondern durch Israel, mit einem Angriff unter falscher Flagge, für den der Iran verantwortlich gemacht wird.“ Er verwies auf den Angriff auf die USS Liberty 1967, bei dem israelische Kampfflugzeugen und Torpedoboote ein US-Spionageschiff vor der Sinai-Küste attackierten, was offiziell als „Irrtum“ galt, von Überlebenden jedoch als gezielte Aktion bezeichnet wird. 34 US-Seeleute starben damals, und die Wahrheit wurde von den USA und Israel vertuscht. McGoverns Warnung nährt die Sorge, dass ein ähnlicher Vorfall die USA in den Krieg ziehen könnte, und findet in einer Zeit Resonanz, in der das Vertrauen in die US-Israel-Beziehung bröckelt. 

Institutionelle Krise 

Während die amerikanische Debatte über den Israel-Iran-Krieg zwischen den unterschiedlichsten Positionen schwankt, bietet der französische Analyst Thierry Meyssan eine provokante Perspektive, die institutionelle Krisen und westliche Narrative entlarvt. In seinem Artikel vom 17. Juni 2025 im Voltaire Netzwerk argumentiert er nicht nur ein koloniales Traumata, dass im britischen Völkermord an Millionen Iranern 1917–1919 und der „Operation Ajax“ 1953 wurzelt. Zentral ist vor allem Meyssans Behauptung, der israelische Angriff auf iranische Atomanlagen am 13. Juni 2025 diente der Vertuschung von Verfehlungen des IAEO-Direktors Rafael Grossi. Am 7. Juni 2025 verkündete Irans Geheimdienstminister Esmail Khatib eine Operation, bei der Tausende von Dokumenten über Israels Atomprogramm aus dem Soreq Nuclear Research Center südlich von Tel Aviv gestohlen wurden. Diese sollen belegen, dass Grossi vertrauliche IAEO-Informationen an Israel weitergab, obwohl Israel kein IAEO-Mitglied ist und nicht den Kontrollen des Atomwaffensperrvertrags unterliegt. Laut IRIB vom 7. Juni 2025 sollten die Dokumente „bald“ veröffentlicht werden. Am 12. Juni verabschiedete die IAEO unter Grossis Leitung eine Resolution, die Irans Verstöße gegen das Sicherungsabkommen an den UN-Sicherheitsrat verwies – ein Schritt, den Meyssan als Ablenkung interpretiert, um Grossis Neutralitätsbruch zu verschleiern. Diese Vorwürfe werden durch die westliche Propaganda seit 2003 verstärkt, die laut Meyssan eine „iranische Atombedrohung“ konstruierte, obwohl Teheran seit 1974 eine atomwaffenfreie Zone im Nahen Osten explizit forderte, erstmals in der UN-Resolution 3263. 

Westliche Doppelmoral 

Am 8. Mai 2018 kündigte US-Präsident Trump an, den zum 12. Mai 2018 auslaufenden „Waiver“, betreffend den Joint Comprehensive Plan of Action (JCPOA), nicht zu verlängern. Deshalb sah sich Teheran auch nicht mehr an das Abkommen gebunden, da die USA ihre Sanktionserleichterungen brachen, was Irans Recht auf zivile Urananreicherung unter dem Atomwaffensperrvertrag (NPT) stärkte, dass nicht erst zum jetzigen Zeitpunkt die westliche Doppelmoral anmahnte, denn Israel ist bereits im Besitz unkontrollierter nuklearer Kapazitäten. Der Iran nutzte offenbar strategisch – ohne es öffentlich zu bekunden – die Anreicherung auf 60 Prozent, um Verhandlungen mit den USA zu erzwingen und, ohne Atomwaffen zu produzieren, wie das Institute for Science and International Security betont. Laut dem Institute for Science and International Security könnte der Iran innerhalb einer Woche genug Uran für eine Bombe anreichern, hat dies aber nicht getan, was auf eine kontrollierte „Eskalation“ hinweist. Die Anreicherung auf 60 Prozent (nahe dem waffenfähigen 90 Prozent) signalisiert technische Fähigkeit, ohne die „rote Linie“ zu überschreiten, und fordert die USA und westliche Staaten zu diplomatischen Verhandlungen - oder militärischer Kampagne. Der Iran bot in Verhandlungen regelmäßig an, die Anreicherung zu reduzieren, wenn Sanktionen aufgehoben werden. Doch Trump besteht auf O-Anreicherung. 

Grossis Neutralität 

Am 19. Juni 2025 reagierte der Sprecher des iranischen Außenministeriums, Esmaeil Baghaei auf X und kritisierte den Chef der Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen, Rafael Grossi. Baghaei warf der Internationalen Atomenergie-Organisation vor, Partner eines von Israel initiierten „ungerechten Angriffskriegs“ zu sein, wie Reuters berichtete. Bedeutsam war jedoch folgendes: In einem Beitrag auf X reagierte Baghaei auf ein Interview mit CNN vom 17.Juni 2025, in dem Grossi gesagt hatte, wie Reuters und The Standard vermelden, es gebe keine Beweise für systematische iranische Bemühungen, Atomwaffen zu entwickeln, worauf Esmaeil Baghaei reagierte „Das ist zu spät, Herr Grossi“, und fügte hinzu, eine Resolution der IAEA, in der Iran einen Verstoß gegen seine Verpflichtungen aus dem Atomwaffensperrvertrag erklärt wurde, sei von Israel als Vorwand für einen Angriff auf den Iran benutzt worden, und mahnt, „Irreführende Darstellungen haben verheerende Folgen, Herr Grossi, und verlangen nach Rechenschaft. Sie haben das Nichtverbreitungsregime verraten. Sie haben die IAEA zum Partner dieses ungerechten Angriffskriegs gemacht“, schrieb er. 

Technische Redlichkeit 

Rafael Grossis Antworten in seinem Gespräch mit Christiane Amanpour auf CNN bedeuten sehr viel mehr, als es westliche Medien werten. Während Medien, Politiker und Militäranalysten in Szenarien denken, spricht Grossi mit kühler Präzision über das, was ist, und nicht über das, was sein könnte. Seine Worte sind nüchtern, sorgfältig abgewogen und frei von Spekulation – und genau darin liegt ihre Wirkungskraft. Als Amanpour gegen Ende des Interviews eine zentrale Frage stellt – nämlich, ob der Iran, sollte seine Führung den Krieg überleben, sich dann doch zur Entwicklung einer Atombombe entschließen könnte –, antwortet Grossi nicht mit Alarm, sondern mit kontrollierter Offenheit. Ja, sagt er, die Möglichkeit existiere, aber er sehe den Iran nicht auf diesem Weg. Das ist mehr als eine diplomatische Floskel – es ist eine professionelle Einschätzung, die auf konkreter Beobachtung basiert. Grossi verweist dabei nicht auf Verdachtsmomente oder Geheimdienstberichte, sondern auf das, was die IAEA verifizieren kann: Der Iran hat angereichertes Material in ausreichender Menge, um – falls er sich dazu entschlösse – ein nukleares Gerät zu entwickeln. Aber: Dieser Entschluss ist nicht gefallen. Es gibt keine Beweise für ein aktives Waffenprogramm, keine sichtbaren Schritte zur Miniaturisierung, Metallisierung, Entwicklung von Zündsystemen oder Trägersystemen. Auch keine Testvorbereitungen. 

Dies ist der Kern seiner Aussage – und sie ist technisch beruhigend, nicht politisch alarmistisch. Seine Klarstellung, dass zwischen angereichertem Material und einer einsatzfähigen Waffe noch viele technische Schritte liegen, die nicht im Verborgenen ablaufen können, ist ein bedeutsamer Kontrapunkt zur politischen Dramatik. Selbst der oft zitierte „Breakout“-Punkt – also der Moment, ab dem der Iran in der Lage wäre, binnen kurzer Zeit eine Bombe zu bauen – wird von Grossi nicht mit einer konkreten Frist beziffert. Stattdessen sagt er sinngemäß: Wenn etwas existiert, das wir nicht sehen können, dann wissen wir es eben nicht. Aber auf Basis dessen, was wir sehen, gibt es keine systematische Entwicklung eines Waffensystems. Dabei nimmt Grossi sogar den Vergleich mit Nordkorea bewusst nicht auf. Er lehnt es ab, Parallelen zu ziehen, und verweist stattdessen auf die regionale und strategische Besonderheit des Iran. Die Situation sei nicht vergleichbar, sagt er, nicht nur aufgrund der geografischen Lage, sondern wegen der komplexen diplomatischen und geopolitischen Einbettung des Iran. Eine iranische Atombombe wäre kein abgeschottetes Projekt wie in Nordkorea, sondern ein Schritt mit unmittelbaren Rückwirkungen auf Europa, Russland, den Nahen Osten und Asien. 

Diplomatische Rückwirkungen 

Was Grossi außerdem betont – und dies wird häufig übersehen – ist die Bedeutung des bestehenden internationalen Konsenses. Er erinnert daran, dass selbst gegensätzliche Akteure wie Trump und Putin einer Meinung waren, dass es keine iranischen Atomwaffen geben darf. Dies als Ausgangspunkt zu benennen ist kein Rückgriff auf die Vergangenheit, sondern eine diplomatische Setzung: Die rote Linie ist gesetzt, und sie ist anerkannt – auch vom Iran selbst. Das ist keine Drohung, sondern ein diplomatischer Bezugsrahmen, innerhalb dessen sich Gespräche auch nach einem Krieg neu organisieren lassen. Entscheidend ist: Grossi sagt nicht, dass der Iran von der Bombe träumt. Er sagt auch nicht, dass Teheran sich nur durch den Besitz einer Atombombe vor künftigen Angriffen sicher fühlen könnte – obwohl CNN-Redakteurin Amanpour diesen Gedanken andeutet. Stattdessen hält er daran fest: Es gibt keinen Hinweis, dass Iran diesen Schritt will oder plant. Diese Antwort ist umso bemerkenswerter, als sie nicht mit der Tonlage westlicher Warnrhetorik übereinstimmt. Sie ist nicht defensiv, sondern sachlich. Nicht beschwichtigend im Sinne eines politischen Kalküls, sondern aus einer Position technischer Redlichkeit formuliert. Darin liegt die Stärke dieses Interviews: Grossi gelingt es, die emotionale Aufladung, die durch Raketenangriffe, Evakuierungsaufrufe und Social-Media-Drohungen erzeugt wird, auf den Boden von Tatsachen zurückzuholen. Seine Rolle ist keine politische, sondern eine auf Evidenz gestützte – und genau darin liegt ihre öffentliche Bedeutung. 

Die Informationen überschlagen sich derzeit minütlich aus den Konfliktgebieten. So ist bei Reuters auch zu lesen, dass der iranische Außenminister Abbas Araqchi voraussichtlich am Samstag (21.Juni 2025) an einem Treffen der Organisation für Islamische Zusammenarbeit (OIC) in Istanbul teilnehmen wird, teilte eine Quelle des türkischen Außenministeriums am Donnerstag mit. Die Quelle sagte, eine Sondersitzung des 51. OIC-Außenministerrates werde sich voraussichtlich auf die jüngsten Streiks Israels gegen den Iran konzentrieren, einschließlich des Angriffs vom Donnerstag auf den Nuklearstandort Khondab in Arak. Interessant ist in diesem Zusammenhang, bei der Eröffnung des zweitägigen Gipfels soll der türkische Außenminister Hakan Fidan die muslimischen Länder auffordern, sich angesichts "destabilisierender Maßnahmen" in der gesamten Region zusammenzuschließen, teilte die Quelle des Ministeriums mit. Die Organisation für Islamische Zusammenarbeit, zu der 57 Mitgliedstaaten gehören, ist seit langem ein politisches und diplomatisches Forum für muslimische Länder. 

Explosive Innenpolitik 

Es gilt als wahrscheinlich, dass nicht nur Thierry Meyssans These die US-Debatte in den nächsten Tagen herausfordert, Narrative wie die „iranische Bedrohung“ zu hinterfragen. Die Entscheidung über eine Intervention liegt bei Donald Trump (oder Kongress), der laut New York Times noch keine finale Entscheidung getroffen hat und öffentlich bekundete die Tür für Verhandlungen offenzuhalten. Doch die innenpolitische Lage ist explosiv: Umfragen zeigen, dass insbesondere Trump-Wähler einen Krieg ablehnen, und Medienmacher Tucker Carlson sowie MAGA-Mitbegründer Steve Bannon könnten einen Widerstand entfachen, der den Vietnam-Protesten Konkurrenz macht. Die Koalition aus Alexandria Ocasio-Cortez, Marjorie Taylor Greene und Thomas Massie, wie Savodnik beschreibt, wäre vor einem Jahr noch als Satire durchgegangen, ist heute Realität. Der Iran-Krieg wird damit zur Prüfung – nicht nur militärisch, sondern vor allem zivilisatorisch. Denn er zwingt den Westen zu einer Frage, die lange als beantwortet galt: Wie viele Widersprüche kann ein Bündnis tragen, bevor es unter sich selbst zusammenbricht?

Quellen und Anmerkungen:

1.) https://exportmanager-online.de/nachrichten/auswirkungen-der-aufkuendigung-des-jcpoa-9947/

2.) https://www.voltairenet.org/article222464.html

3.) https://das-blaettchen.de/2004/06/liberty-24159.html

4.) https://weltwoche.ch/daily/israels-regierung-ist-eine-gefahr-fuer-juden-weltweit-pulitzer-preistraeger-warnt-in-new-york-times-vor-eskalation-in-nahost/

5.) https://de.wikipedia.org/wiki/Iranisches_Atomprogramm

6.) https://www.reuters.com/world/israel-iran-conflict-live-trump-leaves-g7-summit-early-says-should-evacuate-2025-06-17/

7.) https://www.reuters.com/world/israel-iran-conflict-live-trump-leaves-g7-summit-early-says-should-evacuate-2025-06-17/?arena_mid=pmRpsKSXaPELXcqbInVV

8.) https://edition.cnn.com/audio/podcasts/amanpour

9.) https://www.timesofisrael.com/iaea-chief-says-information-stolen-by-iran-refers-to-israeli-nuclear-research-site/

10.) https://de.wikipedia.org/wiki/Wiener_Abkommen_%C3%BCber_das_iranische_Atomprogramm

11.) https://www.cfr.org/backgrounder/what-iran-nuclear-deal

12.) https://edition.cnn.com/audio/podcasts/amanpour/episodes/80c4ab02-2993-11ef-9655-030f02bc3771

13.) https://www.reuters.com/world/israel-iran-conflict-live-trump-leaves-g7-summit-early-says-should-evacuate-2025-06-17/

14.) https://isis-online.org/

15.) https://www.washingtonpost.com/world/2025/06/19/israel-iran-strikes-live-us-trump/

16.) https://www.iaea.org/newscenter/statements/director-general-grossis-statement-to-unsc-on-situation-in-iran-13-june-2025

17.) https://www.iaea.org/newscenter/statements/statement-on-the-situation-in-iran-13-june-2025 

18.) https://www.npr.org/2025/06/12/nx-s1-5431395/iran-nuclear-enrichment-un-compliance

19.) https://subscribe.martyrmade.com/p/the-psychopathology-of-zionism

20.) https://www.thefp.com/p/garry-kasparov-israel-iran-russia?ref=upstract.com

21.) https://www.thefp.com/p/what-unites-aoc-and-marjorie-taylor-greene

22.) https://x.com/raymcgovern/status/1934834737408811328

23.) https://www.msn.com/de-de/nachrichten/other/donald-trump-irritiert-seine-anh%C3%A4nger-wie-der-iran-krieg-die-maga-bewegung-spaltet/ar-AA1H0I1n

24.) https://apolut.net/droht-trumps-rechtes-lager-am-israel-kurs-zu-zerbrechen/

25.) https://www.nytimes.com/live/2025/06/18/world/israel-iran-trump

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Wir danken dem Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bild: Flagge der USA mit Rissen
Bildquelle: marina.rodrigues / shutterstock


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