Tagesdosis

Kafka und die AfD | Von Paul Clemente

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In dieser Woche vollzieht sich der Regierungswechsel. Bundeskanzler Olaf Scholz verlässt seinen Posten still und unauffällig. Ganz so, wie er regiert hat. Konträr dazu: Innenministerin Nancy Faeser. Die liefert politischen Sprengstoff bis zum letzten Tag ihrer Amtszeit.

Ein Kommentar von Paul Clemente.

Da war im April der Prozess gegen David Bendels, Chefredakteur des Deutschland-Kuriers. Der hatte ein manipuliertes Faeser-Foto publiziert. Das wurde vom vom Amtsgericht Bamberg nicht als Satire ausgelegt, sondern als „bewusst unwahre und verächtlich machende Tatsachenbehauptung“. Strafe: Sieben Monate Haft auf Bewährung. Plus einer Zahlung von 1500 Euro an die Kreisverkehrswacht Bamberg. Plus einer schriftlichen Entschuldigung bei der Innenministerin. Ein Urteil, das sogar in Mainstream-Medien für Unbehagen sorgte. Aber der Schrecken ist für Bendels noch nicht vorbei. Kurz nach Verkündung des Urteils, ging die Staatsanwaltschaft in Revision. Grund: Die Strafe sei nicht hoch genug! In dem Dokument heißt es: „Das Strafmaß wird dem Unrechtsgehalt der Tat und der Persönlichkeit des Angeklagten nicht gerecht“. Tatsächlich hatte die Staatsanwaltschaft acht Monate ohne Bewährung gefordert. Da will jemand abschrecken.

Wenige Tage später: Der Verfassungsschutz erklärt die gesamte AfD als gesichert rechtsextrem. Auf Grundlage eines 1000seitigen Gutachtens wird ihr eine „Menschenwürde missachtende, extremistische Prägung“ attestiert. Nicht nur einzelnen Mitgliedern, nicht nur parteiinternen Gruppierungen, sondern dem gesamten Laden: Von Alice Weidel bis  Anna Nguyen. Und wie steht’s um die Beweise? Die bleiben leider unter Verschluss. Die Öffentlichkeit darf die „gesicherte Einschätzung“ nicht prüfen, sondern muss sie glauben. Kein Witz: Das gigantische Gutachten darf nur interne Verwendung finden. Eine Publikation ist nicht geplant. Was kann das bedeuten? Entweder a) Die Beweislage ist so dünn, dass man sich die Peinlichkeit ersparen will. Oder b) als Machtdemonstration. Im Sinne von: Wir müssen uns vor den Bürgern nicht rechtfertigen. Was wäre schlimmer? Stellen Sie, werte Hörer, sich vor: Man bezichtigt Sie öffentlich einer kriminellen Handlung. Aber man weigert sich, Ihnen Beweise oder konkrete Fakten zu nennen: Kein Wort, wen sie geschädigt haben, wo und wann. Was wäre das? Richtig: Das wäre Franz Kafkas Roman „Der Prozess“. Dessen Held Josef K. erfährt bis zur letzten Seite nicht, was man ihm eigentlich vorwirft. Der Staatsrechtler Volker Boehme-Neßler erklärte solche Geheimhaltung als  „skandalösen Vorgang“. Für AfD-Chef Tino Chruppala ist diese Situation keineswegs neu: Im Landesverband Sachsen kämpfe man seit einem Jahr um die Herausgabe von Beweismaterial für die negative Einstufung. Aber nicht nur die Öffentlichkeit bleibt von der Lektüre ausgesperrt. Nein, laut Bericht der Bild-Zeitung hat Faeser das Gutachten auch „fachlich nicht prüfen“ lassen. Dabei hat ihr Ministerium die Fachaufsicht über den Verfassungsschutz. Faesers Begründung: Sie wolle dem Vorwurf politischer Einflussnahme entgegenwirken. Solche Lektüre-Verweigerung wundert sogar den CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter. Zumal Faesers Sprecherin eine Prüfung des Gutachtens angekündigt hatte. Vielleicht fehlte die nötige Zeit? Laut Bild-Zeitung habe die Bundesinnenministerin massiv auf die Tube gedrückt, um das Gutachten noch vor  Amtswechsel durchzudrücken. Als politisches Testament gewissermaßen.    

Natürlich haben Liebhaber der Cancel-Culture die Signale gehört und dankbar reagiert. Ein solches Geschenk kriegt man nur einmal. Also erklärte SPD-Fraktionschef Raed Saleh gegenüber der DPA:

„Der Umfragezuspruch für die AfD darf uns nicht abhalten, das Richtige zu tun, sondern stellt den Handlungsauftrag dar."

Darf man das so übersetzen: Egal, was ein Großteil der Bevölkerung wünscht: Wir wissen, was das Richtige ist. Punkt.

Auch die Sozialsenatorin der SPD, Cansel Kiziltepe, will das Frischhaltedatum der Einstufung nicht verstreichen lassen. Sie fordert umgehende Prüfung und das Anstoßen eines Parteiverbots. Bei den Grünen knallen ebenfalls die Sektkorken: Ario Mirzaie bezeichnete die AfD-Brandmarkung als Meilenstein auf dem Weg zum Verbot:

„Ich fordere den schwarz-roten Senat auf, seine Blockadehaltung gegenüber unserem Antrag für die Unterstützung eines AfD-Verbotsverfahrens durch das Land Berlin endlich aufzugeben." 

Das Zwangsgebühren-TV begreift das Gutachten gar als Auftrag, sämtlichen AfD-Politikern das Mikrophon abzudrehen:

„Eine ‚Gleichbehandlung‘ von Rechtsextremisten verstößt gegen den Programmauftrag. Verfassungsfeinden darf keine Bühne gegeben werden. Nicht in Talks, nicht in der Tagesschau.“  

Die Deutsche Presse Agentur versucht eine rückwirkende Legitimierung des  Skandals: Sie zitiert eine „repräsentativen Umfrage“. Danach halte die Mehrheit die AfD für unwählbar. Ganze Sechs von zehn Befragten. Soll wahrscheinlich heißen: Ein Verbot stünde im Einklang mit dem Mehrheitswillen. Auch das Handelsblatt verteidigt ein potenzielles Verbotsverfahren:

„Die Wählerinnen und Wähler hat die verfassungsfeindliche Entwicklung der Partei bisher nicht weiter gestört. Im Gegenteil – die AfD ist im Bundestag zur zweitstärksten Kraft aufgestiegen – und hat in einzelnen Umfragen die Union sogar schon überholt. Das alles darf aber nicht davon abhalten, den Staat wehrhaft gegen die Partei in Stellung zu bringen.“

Aber es gibt auch kritische Stimmen. Sahra Wagenknecht, bestimmt keine Sympathisantin der AfD, erkennt durchaus die politische Gefahr:

„Tatsache ist, dass die Parteien der selbsternannten ‚demokratischen Mitte‘ seit Jahren einen autoritären Umbau unserer Gesellschaft vorantreiben, die freie Meinungsäußerung einschränken, unliebsame politische Kräfte mit undemokratischen Mitteln bekämpfen und massiven Konformitätsdruck erzeugen.“

Ähnlich der Oberbürgermeister von Tübingen, Boris Palmer, auf Facebook:

„Der Verfassungsschutz stuft die AfD als gesichert rechtsextremistisch ein. Ich hatte nun erwartet, dass V-Männer aus dem Inneren der AfD berichten, dass dort geplant wird, freie Wahlen abzuschaffen, Justiz und Polizei zu unterwandern, einen Putsch vorzubereiten oder zumindest Verfassungsänderungen zur Ermächtigung durchzuführen.“,

Das aber sei wohl kaum der Fall. Und was bislang über die Partei bekannt sei, enthält laut Palmer keinen Widerspruch zur Verfassung. 

Auch internationale Politiker verweigern dem Verfassungsschutz ihren Applaus. So kommentierte US-Außenminister Marco Rubio auf X:

„Deutschland hat seinem Geheimdienst gerade neue Befugnisse zur Überwachung der Opposition erteilt. Das ist keine Demokratie – das ist verkappte Tyrannei“.

US-Vizepräsident JD Vance, der bereits mangelnde Meinungsfreiheit Deutschland festgestellt hatte, bezeichnete die AfD als „beliebteste Partei“ in Deutschland. Nun versuchten Bürokraten, sie zu zerstören. „Der Westen hat die Berliner Mauer gemeinsam niedergerissen. Und sie wurde wieder aufgebaut – nicht von den Sowjets oder den Russen, sondern vom deutschen Establishment.“ Elon Musk schießt in die gleiche Richtung: ein „Verbot der AfD, Deutschlands beliebtester Partei, wäre ein extremer Angriff auf die Demokratie“.

Am Mittwoch übernimmt Alexander Dobrindt das Amt des Innenministers. Ob er das kafkaeske Ministerium der Angst wieder in ein Innenministerium zurückverwandelt? Sicher kann man da nicht sein. Der Koalitionsvertrag zwischen CDU und SPD fordert das Verbot von sogenannter „Desinformation“. Das impliziert zwangsläufig neue Strategien zur Zensur, Löschung und Angsterzeugung.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: Juergen Nowak/ shutterstock


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