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Nach „Midnight Hammer“: Eskalationsgefahr im Nahen Osten? | Von Paul Clemente

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Ein Kommentar von Paul Clemente.

In diesen Tagen dürften Trump-Fans unter Katerstimmung leiden. Zumindest in Europa. So versagte der US-Präsident als Vermittler zwischen Russland und Ukraine. Sein Versprechen, diesen Krieg in 24 Stunden beizulegen – nichts als Heißluft. Stattdessen trat er in die Latschen seines unrühmlichen Vorgängers, George W. Bush. Und die stehen ihm gut. Leider. Erst vor einer Woche hatte Trumps Ex-Berater Steve Bannon ihn gewarnt: Lass die Finger aus der Ukraine und dem Iran. Jegliche Einmischung habe nichts mit „America First“ zu tun.

Natürlich hörte Trump nicht auf Bannon. In der Nacht vom Samstag auf Sonntag startete die „Operation Midnight Hammer“: 24 Bomben flogen auf iranische Atomanlagen in Natan und Fordo. Seltsam ist nur: Angeblich wurde dort laut IAEA nach dem Bombardement keine erhöhte Radioaktivität gemessen! Das könnte dreierlei bedeuten: 1) Das angereicherte Uran wurde in weiser Voraussicht entsorgt. 2) Die Strahlenbelastung wird verschwiegen.  Oder: 3) Es gibt dort gar keine Atombombenforschung.

Wie war das noch im Jahre 2003? Damals hatte der irakische Staatschef Saddam Hussein sich vom Petrodollar losgesagt, wollte sein Erdöl gegen andere Währungen verscherbeln. Das missfiel der damaligen Bush-Regierung. Bald war klar: Der Typ muss weg. Ein Vorwand für militärische Interventionen wurde schnell erdichtet: Der Irak produziere heimlich Giftwaffen. Der damalige Außenminister Colin Powell und seine medialen Helfer logen, dass sich die Raketen bogen. Dann ging’s los: Der Irak wurde angegriffen und Saddam Hussein gehängt.

2025 herrscht eine ähnliche Situation. Der Iran ist wichtiger Rohstofflieferant für die BRICS-Staaten, von Ländern wie Russlad, China, Südafrika oder Brasilien. Von Staaten, die gegen eine unipolare Weltordnung der USA rebellieren. Und wie beim 2003er  Irak-Krieg verfügt man über „gesicherte“ Geheimdienst-Infos. So konnte das Bomben für den Frieden am Wochenende wieder starten.

Okay, nehmen wir einmal an, iranischen Atomphysikern würde der Bau einer Atombombe gelingen. Was dann? Nun, dann würde die USA ihn (den Iran) beispielsweise nicht mehr angreifen. Genau das beweist Nordkorea seit Jahrzehnten: Mögen deren Diktatoren wie Kim Jong Un noch so großmäulig rumkaspern: Die USA lässt sie in Ruhe. Warum? Weil Nordkorea über eine Atombombe verfügt. Da hat selbst Amerika Respekt. Das hat sogar Hollywood bemerkt und diese Angst visualisiert: In dem dystopischen Film „The red Dawn“ von 2012 greift Nordkorea die USA an – und gewinnt beinah. Nein, einer Atommacht kann die USA nicht diktieren.

Aber wie steht es um Israel? Würde ein atomar bewaffneter Iran ihm wirklich zur Gefahr, wie Regierungschef Netanjahu vermutet? Nun, ein Atomkrieg gegen Israel wäre für den Iran purer Selbstmord. Schließlich liegen beide Länder nah beieinander. Ein atomarer Angriff würde auch Teile des Irans verstrahlen, ebenso Nachbarländer wie Syrien, Irak und palästinensische Gebiete. Zudem ist Israel ebenfalls Atommacht. Irans Regierung müsste mit einem atomarem Gegenschlag rechnen. Beides dürfte kaum zum Erstschlag motivieren. Auch die wichtigsten Handelspartner des Iran, also China und Russland, haben nach Netanjahus erstem Bombardement nicht einseitig den Geschäftspartner unterstützt, sondern mit beiden Ländern das Gespräch gesucht: Mit Israel und Iran. Weder Russland noch China zeigen Interesse an einer Eskalation. Im Gegenteil. Auf deren Beistand könnte der Iran also nicht zählen. 

Zurück zu Trump. Der hatte Teheran bereits vorige Woche, also vor der Bombardierung, vor Vergeltungsaktionen gewarnt: „Sollten wir in irgendeiner Art oder Form vom Iran angegriffen werden, wird die gesamte Stärke und Macht der US-Streitkräfte in einem noch nie dagewesenen Ausmaß auf Euch niedergehen." Tatsächlich griff der Iran die USA nicht an, aber Bomben hagelte es trotzdem. Um den Überraschungseffekt auf seiner Seite zu haben, verzichtete Trump auf vorherige Absprache mit dem US-Kongress: Die „Dringlichkeit der Lage“ habe rasches Handeln erfordert.

Auch die deutsche Regierung dürfte der Trump-Initiative heimlich applaudiert haben. Bereits die Angriffe der israelischen Armee gegen den Iran wurden vom BlackRock-Kanzler Friedrich Merz als „Drecksarbeit“ gelobt, die Netanjahu „für uns“ mache. O-Ton: „Wir sind von diesem Regime auch betroffen. Dieses Mullah-Regime hat Tod und Zerstörung über die Welt gebracht."  Das gefiel nicht jedem. Mehrere Promis wie Dieter Dehm und Dieter Hallervorden, erstatteten Anzeige gegen Merz. Mit seinem Bomben-Lob habe der Bundeskanzler gegen Artikel 26 des Grundgesetzes verstoßen. Der untersagt Handlungen, „die geeignet sind und in der Absicht vorgenommen werden, das friedliche Zusammenleben der Völker zu stören, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges vorzubereiten.“ In der Anzeige heißt es folgerichtig: „Wenn ein deutscher Regierungschef in seiner Vorbildfunktion meint, derart offen und öffentlich gegen Artikel 26 verstoßen zu dürfen, könnten sich künftig noch mehr Menschen in Deutschland ermutigt fühlen, Angriffskriege zu propagieren." 

Bei Trumps Bombardierung iranischer Bunkeranlagen schwärmte mancher Journalist von der „Mega-Bombe“, dem potenten „Bunkerbrecher“, der sich sechzig Meter tief in die Erde bohrt. O-Ton PZ: „Die Israelis bombardieren seit rund zehn Tagen Ziele im Iran, doch diese unterirdische Festung konnte nur das US-Militär erreichen, das Fordo nun angriff. Die US-Armee besitzt die Waffen dafür – vor allem die Bombe vom Typ GBU-57: Das Kürzel klingt unspektakulär, doch die Zerstörungskraft des massiven Bunkerbrechers ist gewaltig.“ Netanjahu schrieb Trumps Bombardement eine historische Bedeutung zu: „Herzlichen Glückwunsch, Präsident Trump, Ihre mutige Entscheidung, die nuklearen Anlagen Irans mit der gewaltigen und gerechten Macht der Vereinigten Staaten ins Visier zu nehmen, wird die Geschichte verändern.“

Auch Trump ist von sich selbst berauscht: Im Weißen Haus erklärte er, der Angriff sei ein „spektakulärer militärischer Erfolg“ gewesen. Die zentralen Anreicherungsanlagen des Iran wären „völlig ausgelöscht“. Jetzt, so Trump, sei Zeit für Frieden. 

Natürlich ging Trumps Rechnung nicht auf. Wie bereits erwähnt,  blühen Spekulationen, dass das angereicherte Uran vorzeitig weggeschafft wurde. Damit stünde die Horror-Vision einer iranischen Atombombe weiterhin im Raum, könnten weitere Angriffe der USA folgen. Außerdem, so fügt Nahost-Experte Simon Wolfgang Fuchs hinzu, sei das Teheraner Regime weiterhin handlungsfähig. Und Irans Außenminister Abbas Araghtschi hat bereits Konsequenzen angedroht: „Die Ereignisse von heute Morgen sind ungeheuerlich und werden dauerhafte Folgen haben.“ Die USA habe die Uno-Charta, das Völkerrecht und den Atomwaffensperrvertrag verletzt. Kurz darauf schoss der Iran mindestens 30 Raketen auf Israel. Es kam zu Explosionen in Tel Aviv. Das Militär rief die Bürger zur Flucht in die Luftschutzbunker. Noch gibt es keine Angaben über die Zahl der Toten und Verletzten. Man kann nur hoffen, dass den Bevölkerungen von Iran und Israel eine Eskalation erspart bleibt.

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Dank an den Autor für das Recht zur Veröffentlichung dieses Beitrags.

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Bildquelle: bella1105 / shutterstock


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